Für viele Menschen hat Kunst (hier bezogen auf materielle Kunst wie Bilder) etwas mit Schönheit zu tun. So werden Gemälde, Skulpturen, Textilien bspw. zur Dekoration von (Innen-)Räumen genutzt oder als Prestigeobjekt und Statussymbol verwendet. Doch Kunst kann viel mehr.
Sie geht weit über eine bloße Ästhetik hinaus. Denn Kunst ist ein mächtiges Instrument für emotionale Regulation, körperliches Heilen und spirituelles Wachstum. Dabei ist es egal, ob es sich um den rein passiven Genuss wie bspw. das Ansehen eines Bildes oder um den aktiven Schöpfungsprozess handelt: Kreativität beeinflusst unsere Stimmung, fördert Resilienz und kann Heilungsprozesse unterstützen.
Wirkungen auf den Kunstbetrachter (passiver Genuss)
Es gibt also einen guten Grund dafür, sich mit schönen Kunstwerken zu umgeben. Denn Studien haben inzwischen mehrfach die Wirkung von Kunst auf unser Wohlbefinden, unsere Stimmung und unsere Heilungsprozesse bestätigt. So konnte nachgewiesen werden, dass das reine Betrachten von Kunstwerken tiefgreifende Effekte auf unsere Stimmung und Gesundheit haben kann. Studien der Neuroästhetik und der Psychologie belegen, dass der reine Anblick von Kunst unser Gehirn stimuliert und somit unser Wohlbefinden steigert.
- Das Betrachten von Kunst führt zu einer Aktivierung des Belohnungssystems
Das Erleben von Schönheit in Kunstwerken aktiviert denselben Bereich im Gehirn wie positive soziale Erlebnisse, gutes Essen oder Musik: den medialen orbitofrontalen Kortex. Dies führt zur Ausschüttung von Dopamin (dem Glückshormon), was wiederum unsere Freude, Zufriedenheit und Motivation steigert.
Eine Studie der University of London (Ishizu & Zeki, 2021) fand heraus, dass das Betrachten von besonders schönen Gemälden ähnliche neuronale Aktivierungen auslöst wie das Betrachten einer geliebten Person.
- Das Betrachten von Kunst führt zu Stressreduktion und Entspannung
Zeitgleich zur Dopaminausschüttung führt der bewusste Genuss von Kunstwerken daheim, in Museen oder Galerien zusätzlich zu einer messbaren Senkung des Stresshormons Cortisol, was positive Auswirkungen auf möglich Schlafstörungen, eine Schwächung des Immunsystems, Insulinresistenz, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magen-Darm-Beschwerden etc. haben kann.
Laut einer anderen Studie der University of London (Clow & Fredhoi, 2006) reichten bereits 30 Minuten Aufenthalt in einer Galerie, um das Stresslevel signifikant zu reduzieren.
- Das Betrachten von Kunst dient als Anker für Emotionen
Das Betrachten von Kunst kann als Anker für unsere Emotionen dienen. So erinnert ein Bild vom Strand möglicherweise an schöne Urlaubserlebnisse oder das Lieblingsbild unserer Großmutter erinnert uns an liebevolle Betreuung in Kindertagen. Diese Emotionen sind mit den Bildern verknüpft und können durch das Betrachten der Bilder erneut hervorgerufen werden.
Das kann auch mit negativen Emotionen passieren. Deshalb sollte man immer vorsichtig sein, womit man sich umgibt.
- Das Betrachten von Kunst dient als Spiegel für Emotionen
Das Betrachten von Kunst kann uns auch helfen, unsere eigenen Emotionen besser zu verstehen und zu verarbeiten. Je nach Zustand, Stimmung und Emotion können das ganz unterschiedliche Bilder mit völlig verschiedenen Farben sein.
So regen Werke mit komplexen oder abstrakten Inhalten das assoziative Denken an und können dazu beitragen, verdrängte Gefühle ins Bewusstsein zu bringen.
- Das Betrachten von Kunst fördert Achtsamkeit
Kunst kann als meditative Praxis wirken. Wenn wir uns auf ein Bild einlassen, es genau betrachten, den Pinselstrich, die Farbverläufe, den Hintergrund oder einzelne Bildausschnitte bewusst betrachten, verlangsamt sich unser Gedankenstrom und wir kommen in einen Zustand der Achtsamkeit, ähnlich wie beim Meditieren.
Deshalb werden gezielte Kunstbetrachtungen oft als „Mindfulness-Übungen“ eingesetzt, um die innere Ruhe zu fördern.
Gesundheitliche Vorteile:
Eine Studie des British Journal of Psychiatry (Fancourt & Tymoszuk, 2019) zeigte, dass Menschen, die regelmäßig Kunst konsumieren eine um 32 % geringere Wahrscheinlichkeit haben, an Depressionen zu erkranken.
Krankenhaus-Studien belegen, dass Patienten, die im Umfeld von Kunstwerken genesen, weniger Schmerzmittel benötigen und schnellere Heilungsprozesse zeigen.
Spirituelle und energetische Wirkung
In spirituellen Traditionen wird das Betrachten von Kunst als Möglichkeit gesehen, in höhere Bewusstseinszustände zu gelangen. So können Kunstwerke energetische Resonanzen auslösen, die je nach Farbe und Form unterschiedliche emotionale und mentale Schwingungen anstoßen. Deshalb wird in diesen Traditionen die Wirkung von Kunst auf Wohlbefinden, Stimmung und Heilungsprozesse besonders hoch angesehen.
Viele Menschen empfinden insbesondere beim Betrachten oder Beten vor sakralen Kunstwerken wie Ikonen (im katholischen und orthodoxen Glauben), Mandalas (ursprünglich aus dem Hinduismus und Buddhismus stammend) und Thangkas (traditionelle tibetisch-buddhistische Rollbilder) seit Jahrhunderten eine besondere spirituelle Atmosphäre und spüren eine positive Energie, die von den Bildern ausgeht.
Auch in den schamanischen Traditionen (Keltisch, Indigen, Germanisch, Islamisch) oder bei Energiearbeiten wie dem Reiki werden bspw. zu Schutz- und Heilzwecken künstlerische Zeichen und Symbole verwendet (bspw. die Hamsa Hand) oder Bilder angefertigt (bspw. Krafttiere), denen besondere Kräfte nachgesagt werden.
Schon seit der Antike werden in der Farbtherapie einzelne Farben zur Unterstützung der körperlichen und emotionalen Gesundheit einsetzt. Dabei werden Farben des sichtbaren Spektrums eingesetzt, um auf den Körper, die Psyche und/oder die Seele einzuwirken. Die Annahmen der Farbtherapie basieren auf der Vorstellung, dass Farben unterschiedliche Auswirkungen auf den Körper haben können und so Heilungsprozesse fördern können.
Die Feng-Shui-Kunst entspringt der chinesischen taoistischen Philosophie und nutzt das Prinzip von Yin und Yang. Hierbei werden die Kunstwerke verwendet, um das eigene Zuhause oder Geschäftsräume zu harmonisieren, besondere Bereiche zu unterstützen/auszugleichen und das perfekte energetische Gleichgewicht zu finden.
Auch wenn es für die Spirituelle und energetische Wirkung der Kunst keine wissenschaftlichen Beweise gibt, berichten viele Gläubige und Atheisten weltweit und seit Jahrhunderten von positiven Empfindungen, Zustandsverbesserungen oder Heilungen.
Das passive Erleben von Kunst ist also alles andere als passiv – in uns ist es dabei sehr aktiv. Bereits das reine Betrachten löst im Gehirn und Nervensystem aktive Prozesse aus, die unser Wohlbefinden, unsere Heilung und unsere Selbsterkenntnis fördern, Stress abbauen und Glücksgefühle entstehen lassen. So kann ein bewusst ausgewähltes Kunstwerk in der Wohnung aufgehängt eine therapeutische Wirkung entfalten, ähnlich wie das Anhören beruhigender Musik oder das Betrachten der Natur.
Literatur
Ishizu, T. & Zeki, S. (2011). Toward a brain based theory of beauty. University of London.
Clow & Fredhoi (2006). Normalisation of salivary cortisol levels and self report stress by a brief lunchtime visit to an art gallery. University of London.
Fancourt, D. & Tymoszuk, U. (2019). Cultural engagement and incident depression in older adults: evidence from the English Longitudinal Study of Ageing. The British Journal of Psychiatry.


